Themen

Sozialökologie

Eine Reihe von Berliner Initiativen, darunter id22, arbeiten daran, die aktuellen Herausforderungen und Möglichkeiten der Sozialökologie zu beschreiben und dabei lokale und globale Themen zu verbinden. Sozialökologie befasst sich mit den Beziehungen zwischen (menschlichen) politisch-ökonomischen Strukturen und (natürlichen) Ökosystemen. Aus dieser Perspektive wird argumentiert, dass Fragen des Klimawandels und der Energieeffizienz nicht gelöst werden können, ohne zunächst die miteinander verknüpften Probleme des verschwenderischen Konsums, der zunehmenden Ungleichheit und des Scheiterns demokratischer Systeme anzugehen: Unsere derzeitigen ökologischen Probleme sind auf tief verwurzelte soziale Probleme zurückzuführen. Dieses sich abzeichnende Narrativ beruht auf einer Kritik von derzeit vorherrschenden Praktiken wie einer spekulativen, wachstumsabhängigen Stadtentwicklung sowie technologie- und profitorientierten Nachhaltigkeitsagenden. Daher werden systemische Veränderungen sowohl bei den Materialströmen und dem Umweltverhalten als auch bei der Art und Weise gefordert, wie Gesellschaften, insbesondere in Städten, organisiert und regiert werden. Zu den Zielen gehört ein umfassender gesellschaftlicher Wandel, der auf dem Verständnis von Synergien zwischen gemeinschaftlichen Lebensstilen, dezentralen und nicht-hierarchischen Governance-Strukturen und einer stärkeren Berücksichtigung von (Bio-)Vielfalt und Umweltgerechtigkeit beruht.

 

Gemeinwohlorientierung

Berlin ist Vorreiter eines gemeinwohlorientierten Ansatzes in der Wohnungs- und Stadtentwicklung, der eine progressive Neuausrichtung der Immobilien- und Wohnungspolitik beinhaltet. Die Stadt privatisiert ihr Eigentum nicht mehr, sondern baut und erwirbt Wohnraum und erwägt sogar, diesen zu enteignen, wobei sie mit stadteigenen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und gemeinnützigen Stiftungen zusammenarbeitet. Ein Gemeinwohl-Ansatz erinnert uns an die Macht der Commons und fordert ständige Verhandlungen zwischen dem Kollektiv und dem Einzelnen. Dies führt uns nicht zu einer klaren akademischen, unveränderlichen Definition, sondern reflektiert die lokalen Kulturen, Bedürfnisse und sozialen Realitäten. In jedem Fall fördert die Stadt mit einer Gemeinwohlorientierung auch Solidarität, Gemeinschaft, Demokratie und Nachhaltigkeit. Gemeinwohl bedeutet nicht, dass alle das Gleiche wollen, sondern dass die Vielfalt der Menschen und Kulturen, die die Stadtgesellschaft ausmachen, in die Entscheidungsfindung einbezogen werden müssen. Dazu gehören faire Diskussionen und eine Umverteilung von Ressourcen und Macht. Eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung muss sich auf die Zivilgesellschaft stützen, in Zusammenarbeit mit der lokalen Regierung und unter fairer Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen.

 

CoHousing

Berlin beeindruckt international durch hunderte von gemeinschaftlichen Wohnprojekten. Der gemeinnützige Verein id22 e.V. arbeitet seit Jahrzehnten daran, Forschung, Vernetzung, Veranstaltungen und Publikationen zu organisieren, um das Verständnis für solche Wohnformen zu fördern und die Unterstützung für sie zu erhöhen. Lernen Sie selbstorganisierte, gemeinschaftlich geführte Wohnprojekte in Berlin kennen: darunter Genossenschaften wie das Spreefeld, das Forum Kreuzberg und den Möckernkiez. Diese und andere Beispiele tragen zu einer unglaublichen Berliner Vielfalt an gemeinschaftsgeführten, gemeinnützigen, ökologischen und bezahlbaren Wohnformen bei, die einer nachhaltigen Stadtentwicklungskultur dienen. Zu den gemeinschaftlichen Wohninnovationen gehören Hausbesetzungen und Zeltlager, generationsübergreifende, barrierefreie und bezahlbare Sanierungen von Bestandsgebäuden, Energie-Plus-Gemeinschaften, geschlechtergerechte Projekte, integrative Flüchtlingsunterkünfte, sozial-inklusives Wohnen und vieles mehr. Um die Vielfalt der Berliner CoHousing-Kulturen vorzustellen, organisieren wir Projektbesuche, Treffen mit Expert:innen und Aktivist:innen sowie Diskussionen und Konferenzen.

 

Community Land Trusts

Die Berliner Stadtbodenstiftung hat mit Unterstützung der Stadtverwaltung und id22 den ersten deutschen Community Land Trust (CLT) in Berlin gegründet.

Ein Community Land Trust (CLT) ist eine lokal verankerte, demokratische, gemeinnützige Form des Immobilieneigentums, die Boden der Spekulation entzieht und ihn dauerhaft für bezahlbaren Wohnraum und andere soziale, kulturelle, ökologische oder kommerzielle Nutzungen zur Verfügung stellt. Entscheidungen über die Nutzung von CLT-Grundstücken werden in der Regel von einem gewählten Beirat getroffen, in dem die Interessen von Anwohner:innen und Nachbar:innen sowie von Fachleuten, Spender:innen und der lokalen Regierung vertreten sind. Die Nutzungen sind somit öffentlich kontrollierbar. Anwohner:innen und andere Nutzende, Nachbar:innen und Unterstützer:innen helfen sich gegenseitig, ein wünschenswertes Umfeld mit erschwinglichen, stabilen Mieten zu erhalten oder zu schaffen. Auf diese Weise gehen gemeinsames Eigentum, die Verwaltung von Grundstücken und Immobilien sowie die Stärkung der Gemeinschaft Hand in Hand. Das CLT-Modell entstand während der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren und in jüngerer Zeit in Europa vor allem in London und Brüssel.

Stadtbodenstiftung

 

Widerständiges Kreuzberg

„Für Protest und Widerstand gibt es in Kreuzberg immer Gründe, Behördenhandeln ist verdächtig. Ob Bürobauten gebaut oder Bäume gefällt werden – darüber haben hier nicht irgendwelche Politiker zu entscheiden. In Kreuzberg entscheidet das Volk.“ (Tagesspiegel v. 5.1. 2009).

Rückblick

Seit Jahrzehnten ist die Protestkultur im Einwander- und Arbeiterbezirk Kreuzberg, zunächst infolge der Studentenrevolten, ausgeprägt. Die Proteste richteten sich anfangs gegen Berufsverbote, Jugendarbeitslosigkeit oder die Unterdrückung der Kurden in der Türkei. Sie wurden, von linken Theatergruppen ausgehend, immer mehr durch die betroffene Bevölkerung getragen. Wichtigster Ausdruck der Protestkultur in Kreuzberg waren seit 1971 rund 150 Besetzungen von Altbauten, die abgerissen werden sollten. Die Hälfte dieser Häuser wurde „instandbesetzt“ und vor dem Abriss gerettet. Die Proteste wurden durch die 1978 in Kreuzberg gegründete „Alternative Liste“ (Vorläufer der Partei „Die Grünen“) und die neugegründete Tageszeitung „taz“ unterstützt, die auch heute noch ihren Sitz in Kreuzberg hat.

Heute

Seit den 2000er Jahre nimmt der Widerstand  breitere Formen an: In Folge des verstärkten Ausverkaufs der Stadt durch den Verkauf von rund der Hälfte des öffentlichen Wohnungsbestands an Private, gelangte das Thema Gentrifizierung und die damit verbundene Aufwertung der Kieze in den öffentlichen Focus. Am Spreeufer zwischen Kreuzberg und Friedrichshain ergriff die Diskussion um „Media Spree“ breite Bevölkerungsschichten. Sie mündete 2008 in den erfolgreichen Bürgerentscheid Spreeufer für alle, der eine breite Partizipation der Anwohner an den Bau-Planungen zur Folge hatte. Weitere Beispiele des Widerstands: die Mietergemeinschaft Kotti & Co, die einen dauerhaften Info- und Proteststand am Kottbusser Tor errichtete, die Besetzung verschiedene Brachen, ein Flüchtlingscamp am Oranienplatz, das 2013/14 die Situation Geflüchteter in die Öffentlichkeit brachte und die Initiativen um des „Dragoner Areals“ am Mehringdamm: statt den Verkauf des Geländes an einen Investor entsteht eine gemeinwohlorientierte Quartiers-Entwicklung. Zunehmend wird die Protestbewegung pro-aktiv und versucht durch eigene Ideen und Aktionen Fakten zu schaffen: So führte 2012 die Initiative des Vereins „Nomadisch Grün“ mit einer Kampagne und über 30.000 Unterschriften dazu, dass eine große Brache am Moritzplatz seither nicht bebaut wurde. Dort entstand der Prinzessinnengarten als Modell des „urban gardening“. Darüber hinaus entstehen viele Verkehrsberühigungs-Initiativen.

 

Essbare Landschaften

Berlin gilt als eine der grünsten Städte Europas. Unser Interesse gilt vor allem den urbane Gartenprojekte, die von unterschiedlichen kreativen Initiativen und Nachbarschaften gestartet wurden. Diese grünen Oasen sorgen nicht nur für ein angenehmes (Mikro)Klima und Erholung, sondern bringen auch Menschen aller Generationen und Kulturen zusammen. Berlin hat um die 150 Gemeinschaftsgärten: friedliche Lernorte und wichtiger Bestandteile einer lebenswerten modernen Stadt. Im Stadtzentrum finden wir einige Beispiele, jedes ist jedoch einzigartig auf seine Art und Weise und verfolgt dennoch dieselben Ziele: Wissensvermittlung und Bildung, Förderung des sozialen Miteinanders und Begrünung mit vor allem essbaren und produktiven Pflanzen im städtischen Raum. Die Spreefeld Nachbarschaft, zwischen Genossenschaft und Teepee Land, ist einer dieser beispielhaften Orte: die hier 2012 gegründete Nachbarschaftsinitative und id22 Partner*in Spreeacker beherbergt mittlerweile weit über 100 essbare Pflanzenarten, mitten im Berliner Stadtzentrum. Auch die aktuelle partizipative Mitgestaltung des Uferweges entlang der Spree wird thematisiert. Die Tour ist eine Entdeckungsreise entlang des ehemaligen Grenzgebiets, der eine bedeutende grüne urbane Oase darstellt und sich heute in einer aktuellen Neuentwicklungsphase befindet. Lokale Initiativen regen zu Diskussionen über alternative, ressourcenschonende Versorgungsmodelle an und zeigen auf, was sie zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer Stadt beitragen können.